Statement von Frank Fass zur “Goldenstedter Wölfin”
Bei der Errichtung und Beurteilung des wolfsabweisenden Grundschutzes müssen wir allerdings auch bedenken, dass Schafhalter – gerade im Neben- oder Haupterwerb – oft mehrere Herden haben, aufgrund der Altersklassen, Geschlechter, Zucht, Landschaftspflegeaufträge, etc. Ferner ist zu bedenken, dass bis heute alle Hobbyschafhalter keinerlei finanzielle Bezuschussung durch das Land Niedersachsen erhalten für die Errichtung des wolfsabweisenden Grundschutzes. Schäfer im Neben- oder Haupterwerb erhalten aufgrund der “Richtlinie Wolf” einmalige finanzielle Zuschüsse bis zu 80% für die Errichtung des wolfsabweisenden Grundschutzes. Wer den wolfsabweisenden Grundschutz nach spätestens zwölf Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie Wolf für die jeweiligen Landkreise nicht errichtet, erhält allerdings keine weiteren freiwilligen Schadensausgleichszahlungen durch das Land Niedersachsen, wenn dann erneut tote oder verletzte Schafe festgestellt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass in Niedersachsen die Richtlinie Wolf der De-minimis-Beihilferegelung unterliegt. Letztendlich sind es EU-Mittel, die dem Tierhalter zu Teil werden. Allerdings existiert dabei eine finanzielle Obergrenze von 15.000 € in Bezug auf drei zusammenhängende Steuerjahre. Das bedeutet konkret, dass ein Tierhalter über diese drei Jahre hinweg bis zu 15.000 € ausbezahlt bekommen kann, für die begründete Bedingungen erfüllt sein müssen. Dies gilt für die Errichtung des wolfsabweisenden Grundschutzes als Präventionsmaßnahme genauso, wie für den finanziellen Schadensausgleich bezüglich mit mindestens hoher Wahrscheinlichkeit durch den Wolf getöteter oder verletzter Schafe. 15.000 € klingt nach viel Geld. Tatsächlich gibt es mittlerweile Schäfer, die in kurzer Zeit diese Mittelobergrenze erreicht haben und daher keine weiteren finanziellen Mittel zugestanden bekommen. Dazu müssen erst die drei besagten Steuerjahre vollständig abgeschlossen sein.
Zwischenfazit bezüglich Schafhaltung in den Landkreisen Diepholz und Vechta unabhängig von den aktuellen besonderen Vorkommnissen:
- Im Idealfall errichten umgehend und ausnahmslos alle Schafhalter den wolfsabweisenden Grundschutz und zwar derart, dass er für die örtlichen und betrieblichen Gegebenheiten vollständig erreicht ist.
- Punkt 1.) gilt auch für Hobbyschafhalter, wenngleich sie keine finanziellen Bezuschussungen für den wolfsabweisenden Grundschutz erhalten. Dieses Geld ist also privat zu investieren.
- Es gibt Schafhalter (Neben- oder Haupterwerb), die bereits die 15.000 € Obergrenze der De-minimis-Beihilferegelung erreicht haben. Diese Leute erhalten keine weiteren finanziellen Mittel mehr vom Land Niedersachsen, es sei denn der 3-Jahres-Zeitraum ist abgeschlossen.
- Der Einsatz von Herdenschutzhunden und/oder Herdenschutzeseln kostet pro Jahr und pro Hund viel Geld (mindestens 1.000 € pro Hund pro Jahr). Diese laufenden Kosten muss der Tierhalter immer selber zahlen. Dafür gibt es keine finanzielle Bezuschussung.
- Manch ein Hobbyschafhalter dürfte seine Schafe abschaffen, wenn er mehrfach einen Wolfsübergriff an seinen Schafen feststellt.
Kommen wir nun nach dieser längeren Einführung zur sogenannten “Goldenstedter Wölfin“. Nach der bisherigen Erkenntnislage handelt es sich bei der Goldenstedter Wölfin im Bereich der Landkreise Diepholz und Vechta um einen Wolf, der wie genau oder wodurch auch immer motiviert, gelernt hat über Zäune hinweg zu springen, anstatt diese wenn möglich zu untergraben oder zu durchschlüpfen. Im bundesweiten Kontext betrachtet ist folgendes festzustellen: Die allermeisten Wölfe wagen es für sich nicht über Zäune hinweg zu springen. Möglicherweise vermögen sie die Zaundrähte in der Einbauhöhe nicht einzuschätzen oder sind grundsätzlich einfach nur skeptisch und unterlassen daher das Hinüberspringen, wenngleich Wölfe dieses anatomisch und physiologisch ohne Probleme könnten. Infolge dieser Tatsache darf mit Fug und Recht behauptet werden, dass der allseits bekannte 90 cm hohe Elektronetzzaun die Erfüllung des wolfsabweisenden Grundschutzes darstellt. Die allermeisten Wölfe respektieren diesen Zaun mit dieser Höhe und die Schafe sind somit sicher eingezäunt. In bisher seltenen Fällen sind außerhalb Niedersachsens einzelne Wölfe allerdings doch über 90 cm Elektronetzzaun gesprungen, um dann an den Schafen Beute zu machen. Solche Wölfe sind also für ihr “mutiges” Überspringen durch erfolgreiches jagen und Beutemachen belohnt worden. Tritt das ein, muss sofort der Zaun in seiner Höhe auf mindestens 120 cm erhöht werden. Tatsächlich kann es darüber hinaus erforderlich sein, dass die gesamte umliegende Region sämtliche Zäune bei der Schafhaltung auf mindestens 120 cm zu erhöhen sind. Solche Aktionen waren bisher stets erfolgreich.
Im Gebiet des Goldenstedter Wolfes ist die Besonderheit diejenige, dass bisher Zaunhöhen von über 120 cm mehrfach überwunden wurden. Dafür, dass es die besagte Wölfin war, liegen in wenigen Fällen eindeutig DNA-Beweise vor. In anderen Fällen liegen DNA-Beweise vor, dass es grundsätzlich ein Wolf war, ohne exakt das Wolfsindividuum benennen zu können. In wiederum anderen Fällen konnte anhand der optischen Rissbegutachtung der Wolf mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Anhand der Wolfsmonitoringergebnisse ist bis heute nur ein Wolf in der besagten Region nachgewiesen worden – es ist die Goldenstedter Wölfin.
Wie soll man nun mit einem solchen Wolf umgehen, so dass es künftig nur noch wenige oder besser gar keine Übergriffe auf Schafe oder wie bisher auch auf Damwild in einem Gatter gibt? Hierzu beleuchte ich nun verschiedene gut gemeinte Ideen, die uns aus der Bevölkerung dazu erreichten. Ferner beleuchte ich die aktuelle behördliche Vorgehensweise. Letztlich stelle ich meine eigene heutige Sichtweise dazu dar.
Ideen aus der Bevölkerung:
- “Die Schafhalter sollen höhere Zäune bauen.”
Meine Sichtweise dazu: Es ist den Schafhaltern im Bereich des mobilen Zaunbaues (Elektronetze, Elektrolitzen) nicht zuzumuten, dauerhaft immer wieder Hürden von höher als 120 cm auf- und abzubauen, beim Umsetzen der Schafe von einer Fläche zur nächsten. Ferner werden die Zäune immer anfälliger gegen Windlast je höher sie sind und je nach Bodenfestigkeit. - “Die Schafhalter sollen nachts bei ihren Schafen schlafen.”
Meine Sichtweise dazu: Diese ist eine unrealistische Lösung. Erstens geht die Idee nicht mehr konform mit der modernen Lebensweise des Menschen in Deutschland. Zweitens funktioniert das bei der Mehrherdenhaltung erst recht nicht. - “Die Schäfer sollen noch mehr Herdenschutzhunde oder Herdenschutzesel anschaffen und einsetzen.”
Meine Sichtweise dazu: Das ist auf den ersten Blick eine gute und unterstützenswerte Idee, die jedoch aus folgenden Gründen nicht Realität wird:
a) gemäß der niedersächsischen Richtlinie Wolf werden einem Schäfer ab einer Herdengröße von 200 Schafen zwei Herdenschutzhunde bei der Anschaffung finanziell bezuschusst. Für jede weitere 100 Schafe wird je ein weiterer Herdenschutzhund bei der Anschaffung bezuschusst. Beispielsweise sind aber 200 Schafe oft in kleinere Herden aufgeteilt aus verschiedenen benannten Gründen. Sollten diese 200 Schafe zum Beispiel in fünf Herden mit je 40 Schafen aufgeteilt sein, braucht der Schäfer also mindestens zehn Herdenschutzhunde (5x 2 Stück). Die Anschaffung des dritten Hundes bis hin zum zehnten Hund wird finanziell nicht bezuschusst
b) die laufenden jährlichen Kosten von mindestens 1.000 € pro Hund werden nicht bezuschusst. Somit müsste der Schäfer bei zehn Herdenschutzhund über 10.000 € Kosten pro Jahr (und das jedes Jahr!) selber zahlen. Diese Bereitschaft wird nachvollziehbarer Weise nur sehr selten anzutreffen sein.
Herdenschutzhunde sind eine gute Möglichkeit, die jedoch an Grenzen stößt.
4. “Dann sollen die Leute eben ihre Schafe abschaffen.”
Meine Sichtweise dazu: Manch ein Hobbyschafhalter wird seine Tiere nach und nach tatsächlich von sich aus abschaffen, wenn er mehr Arbeit als Nutzen bezüglich Herdenschutzmaßnahmen feststellt. Doch es ist der Wille der Bundesländer, dass Schafe und Rinder (Mutterkuhhaltung) zur Landschaftspflege eingesetzt werden um die Wiederverbuschung zu vermeiden. Es muss also extensiv gehaltene Schafe, Ziegen und Rinder geben, als fester Bestandteil des Naturschutzes. Dazu tragen auch Hobbyhalter bei.
Aktuelle behördliche Vorgehensweise:
Die Goldenstedter Wölfin soll lebend gefangen werden und nach erfolgreicher Immobilisierung mit einem GPS-Senderhalsband ausgestattet werden, um sie danach am Computer im Raum-Zeit-Verhalten beurteilen zu können. Sollte die Wölfin weiterhin über Zäune springen, soll sie erneut gefangen und dauerhaft in einem Gehege untergebracht werden. Die lethale Entnahme (Abschuss des Wolfes) stellt nur die allerletzte Möglichkeit dar und wird bisher nicht weiter verfolgt.
Unsere Sichtweise dazu: Was bringt es den Wolf am Computer zu beobachten? Er wird weiterhin über Zäune springen, weil es der leichteste Weg für ihn ist an Beute zu kommen. Gleichwohl ist bisher davon auszugehen dass der Wolf auch weiterhin im Bereich der Wildtiere erfolgreich Beute macht. Es ist nicht ersichtlich, dass der Wolf von allein mit dem Springen über Zäune aufhört – warum sollte er auch? Springen scheint für ihn leichter zu sein, als unter den Zaun hindurch zu graben, falls es ein stromfreier Zaun ist (zum Beispiel Metallknotengeflecht, Maschendraht, etc.). Es dürfte eine reine Frage der Energiebilanz sein. Fraglich ist auch wie oft der Wolf mittels GPS-Positionsabfrage getaktet werden soll: alle 15 Minuten, alle 4 Stunden? Man muss ihn idealerweise in Echtzeit beobachten können. Allerdings wird die Batterie im Senderhalsband eine hohe Abfragefrequenz (z.B. alle 15 Minuten) nicht lange unterstützen können – unabhängig von der Frage, ob das Gerät das überhaupt kann.
Die vermutete nebenbei geschehende Vergrämung des Wolfes in Bezug auf Schafe ist nicht herleitbar. Wenn überhaupt zeigt der Wolf einen vergrämten Effekt (Aufbau einer Aversion, Vermeideverhalten) in Bezug auf Menschen bei der Einfang- und Besenderungsaktion. Infolgedessen dürfte der Wolf künftig möglicherweise mehr Abstand zum Menschen einnehmen. Sicher ist allerdings auch das nicht zu prognostizieren. Tatsächlich ist der Wolf jedoch bisher nicht auffällig geworden in Bezug auf Nahkontakte zu Menschen.
Die Besenderung des Wolfes dürfte also nichts bewirken. Bleibt also nur die lebende Entnahme des Wolfes aus der Natur und die anschließende dauerhafte Unterbringung in einem “Auffang-“Gehege. Eine solche dauerhafte Unterbringung eines Wolfes, der in freier Wildbahn geboren und aufgewachsen ist, ist aus Gründen des Tierschutzes abzulehnen. Man möge sich vorstellen, wie ein solcher Wolf, je nach seinem Individualverhalten, immer wieder versucht aus dem Gehege herauszukommen. Daher lehne ich eine solche Unterbringung ab.
Doch was bleibt nun noch an Möglichkeiten?
Letztlich stelle ich nun meine eigene heutige Sichtweise dazu hier dar, im Wissen, dass sie umstritten ist:
Leider bleibt wohl nur nach Abwägung aller hier im Vorfeld dargestellten Möglichkeiten die lethale Entnahme des bestimmten Wolfes. Menschen, die diese Möglichkeit ablehnen (was emotional verständlich ist), argumentieren damit, dass der nächste Wolf der in die Region kommt auch wieder Schafe reißen wird. Solange tatsächlich nicht alle Schafhalter den wolfsabweisenden Grundschutz errichten, stimmt das auch. Dennoch wird dieser konkrete und einzigartige Wolf auch weiterhin über sehr hohe Zäune springen, selbst wenn noch heute alle Schafhalter den Bau des wolfsabweisenden Grundschutzes umsetzen. Der besagte Wolf ist und bleibt sehr wahrscheinlich dauerhaft ein Springer über hohe Hindernisse.
Sollte der Wolf – warum auch immer – mit dem Überwinden hoher Zaunanlagen von sich aus aufhören, werden ich mich umgehend wieder von der konkreten Möglichkeit der lethalen Entnahme distanzieren.
Eine zurzeit oft diskutierte Frage ist, was eigentlich passiert, wenn die Wölfin eines Tages eigenen Nachwuchs hat – also Wolfswelpen. Hier sind verschiedene Aspekte vorstellbar. Es kann sein, dass sich die Welpen oder einzelne von denen das Überspringen von Zäunen von der Mutter abgucken. Es kann allerdings auch sein, dass die Welpen dieses genau nicht tun und sich mehr am Vater orientieren. Um diese Frage können nur Vermutungen angestellt werden.